Last Updated on 25. Januar 2024 by Martin
Die „M 868 Bahnanlage“ wurde im Juni 1939 von Märklin im Händler-Katalog M 635 „MÄRKLIN MODELLE Ein Blickfang für das Schaufenster“ auf der Titelseite vorgestellt.
Von dieser Bahnanlage ist in der Sammlerszene weltweit kein erhaltenes Originalexemplar bekannt. Das hat 2019 den Tüftler Thomas Demand herausgefordert, nur basierend auf der obigen Abbildung (selbst die Beschreibung zur Anlage aus dem Katalog M 635 lag ihm nicht vor!), die Anlage in mühsamer Detailarbeit zu rekonstruieren und weitgehend originalgetreu nachzubauen. Es ist ihm dabei z. B. gelungen, die Ausmaße der Platte relativ exakt zu ermitteln (im Original mit den Maßen 161 x 85 cm, der Nachbau ist wenige cm größer). Thomas hat den m. W. einzigen überhaupt existierenden Nachbau der M 868 Bahnanlage erschaffen. Ich habe die Anlage 2022 von ihm übernehmen können und seitdem nur wenige kleine Details geändert.
Der Gleisplan der Anlage an sich ist einfach gehalten. Dadurch, daß keine Weichen verwendet werden, ist die Anlage sehr betriebssicher, was dem störungsfreien Betrieb im Schaufenster entgegen kommt. Geschickt wird die Märklin Miniatur-Tischbahn (Spur 00, heute als Spur H0 bekannt) mit dem Märklin Metallbaukasten kombiniert, so daß die Begeisterung für beide geweckt wird. Der Schriftzug „Metall-Baukasten MÄRKLIN Miniatur-Tischbahn“ reicht fast über die ganze Breite der Anlage. Große Lämpchen an der dem Betrachter zugewandten Seite des angedeuteten Bahnhofsgebäudes und eine zusätzliche Bogenlampe 448/2 in der Mitte der Anlage, je nach verwendeten Zügen auch die Wagonbeleuchtung, sorgen für eine stimmungsvolle Illumination. Der Bahnhofsvorplatz ist sehr schlicht gestaltet, es gibt aufgemalte Hecken oder Grünflächen in U-Form. Davor stehen vier Bänke, die aus dem Märklin Spur 0 Sortiment stammen (Art. 2676), aber auch ohne Bodenplatte auf dem Spur 00 Bahnsteig 422 verwendet wurden (hier hat sich der Erbauer meines Nachbaus bedient).
Das untere Oval wird über den durchgehenden Mittelleiter der Vorkriegsgleise mit Strom versorgt. Das obere Oval kann wahlweise über den Mittelleiter oder die Oberleitung betrieben werden. Die nötige Spannung wird über zwei Transformatoren 270 A bereitgestellt (bei dem Nachbau wurden diese durch den Elektriker geprüft und auf einen technisch sicheren Stand gebracht, indem eine Erdung ergänzt und neue Netzleitungen und Netzstecker in alter Optik montiert wurden).
Ergänzt wurde die M 868 durch zwei Automodelle der Reihe 5521: links das Cabriolet 5521/4, rechts der Sportwagen 5521/3. Diese passen maßstäblich mit einer Länge von ca. 10 cm eigentlich zur Spur 0, wurden aber in der Anfangszeit der Miniatur-Tischbahn von Märklin auch zur Dekoration der Spur 00 Anlagen verwendet, da es noch keine maßstäblichen Autos im Sortiment gab. (Auf meinem Nachbau steht statt dem Sportwagen 5521/3 aufgrund einer Lücke in meiner Sammlung der Auto-Union-Rennwagen 5521/12 mit Fahrerfigur).
Die Anlage M 868 war mit einem Preis von RM 220,– im Katalog M 635 aufgeführt, wobei der bestellende Spielzeughändler bei Kauf der Anlage noch (ordentlich) Rabatt erhielt. So wurde neben dem wohl regulären Händlerrabatt von 40% noch zusätzlich als Reklamebeihilfe ein Sonder-Rabatt von 50% gewährt, also in Summe 80%, so dass die Anlage im Einkauf letztendlich nur noch RM 44,– kostete.
Im Preis waren die erforderlichen Anschlussgarnituren (bei Wechselstrom zwei Transformatoren 270 A) sowie die Züge mit den Lokomotiven T 800 und RS 800 nicht im Preis enthalten, sondern „nur auf Wunsch“ für RM 46,50 separat erhältlich (hierauf wurde dem Spielzeughändler noch sein Händlerrabatt gewährt).
Auffällig ist, daß die Wagen der 34er Reihe wohl mit den größeren und teureren Wagenbeleuchtungen 484/2 ausgerüstet waren, die eigentlich für die größeren Personenwagen der 35er Reihe vorgesehen waren. Auch der bereits mit einer Birne beleuchtete Gepäckwagen 344 B wurde wohl mit einer zusätzlichen Wagenbeleuchtung 484/2 versehen und dafür die einzelne Birne entfernt, um ein einheitliches und helles Beleuchtungsbild im Schaufenster zu erzielen.
Da der Spielzeughändler beim Bezug der oben aufgeführten Züge zur Anlage keine besseren Konditionen erhielt, als bei freier Bestellung, nehme ich an, daß die Bestückung der Anlage auch oft aus dem Ladenbestand des Spielzeughändlers erfolgte und daher auch andere Züge zum Einsatz kamen. Das kommt dem Spieler heute natürlich im Sinne einer spielerischen Freiheit entgegen!
Alternativ zum Kauf der Anlage war auch die leihweise Überlassung möglich. Hier wurden für sechs Monate – bei „Franko-Retournierung in gutem Zustand“ 15% Leihgebühr vom Listenpreis berechnet, d. h. bei der M 868 RM 33,–. Im Vergleich mit dem „Bezug auf feste Rechnung“ (also einem Kauf) für RM 44,– war diese Option wirtschaftlich wenig attraktiv. Zudem heißt es im Katalog M 635:
„Die Modelle lassen sich nach Erfüllung ihres Zwecks entweder verkaufen, oder aber können dieselben jederzeit auseinandergenommen und die Teile für den Einzelverkauf gewinnbringend verwendet werden.“.
Auch dies erklärt, warum kein erhaltenes Originalexemplar bekannt ist.
Fritz Rinderknecht hat bereits 2006 in seinem Vortrag auf dem Tinplate Forum Bartholomä auf eine kleine Besonderheit des Katalogfotos der M 868 hingewiesen:
„Ein Detail ist die Aufstellung der beiden Züge: Wieso fahren sie in der – wie aus der Signalaufstellung abzuleiten ist – falschen Richtung? Man kann davon ausgehen, dass der Fotograf auf solche Spitzfindigkeiten nicht achtete.“
Im Schaufensteranlagen-Katalog M 625 von 1938 war die Anlage übrigens noch nicht enthalten (nur die größere M 860 „Brückenlandschaft für Miniaturbahnen“, bei der der Zugbetrieb nur auf der oberen Ebene – dafür jedoch mit zwei Kreisen – stattfindet). In späteren für den Händler bestimmten Katalogen (die erst nach dem 2. Weltkrieg erschienen) ist die Anlage M 868 ebenfalls nicht mehr enthalten – sie passte stilistisch nicht mehr zu der Entwicklung in eher modellähnlich gestaltete Anlagen.
Die Anlage M 868 war am 08. / 09.10.2022 auf „Europas größter Tischeisenbahn Veranstaltung“ im Unimog-Museum in Gaggenau ausgestellt – Bilder und Filme dazu gibt es hier.
Quellen:
MÄRKLIN-Modelle – Ein Blickfang für das Schaufenster M 635 (Märklin Schaufensteranlagen-Katalog aus dem Juni 1939).
Fritz Rinderknecht: Vorführanlagen Märklins – Eine Übersicht bis zum Jahre 1951 (Textliche Beilage zu einem Vortrag am Tinplate Forum Bartholomä 2006).
Thomas Demand (und Andere): Diskussion in einem Internetforum (2020) (nur für dort registrierte Benutzer aufrufbar).